Stellungnahme Gesetzesentwurf BAUTURBO
Wir bedanken uns für die Möglichkeit, zum vorliegenden Referentenentwurf Stellung zu nehmen. In diesem Zusammenhang möchten wir anregen, Architects for Future Deutschland e.V. künftig regelmäßig in den Verteiler relevanter Gesetzgebungsverfahren aufzunehmen.
Als interdisziplinäres Netzwerk engagierter Fachleute aus Architektur, Stadtplanung und verwandten Disziplinen bringen wir praxisnahe und lösungsorientierte Perspektiven in die Weiterentwicklung des Bau- und Planungsrechts ein – mit besonderem Fokus auf Nachhaltigkeit, Klimaschutz und der Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen.
Beteiligungsverfahren und Fristsetzung
Mit Sorge nehmen wir die erneut sehr knapp bemessene Frist zur Abgabe einer Stellungnahme zur Kenntnis. Drei Arbeitstage – zudem während der Ferienzeit – scheinen in keinem Verhältnis zur Bedeutung eines Gesetzesvorhabens mit derart weitreichenden gesellschaftlichen Konsequenzen zu stehen. Zum Vergleich: Die gesetzlich geregelte Beteiligungsfrist bei Bebauungsplänen beträgt mindestens 30 Tage.
Ein solches Vorgehen erschwert eine fundierte, qualitätsgesicherte Auseinandersetzung mit dem Gesetzestext und mindert aus unserer Sicht sowohl die demokratische Legitimation als auch die inhaltliche Qualität der Gesetzgebung. Wir appellieren daher eindringlich, bei zukünftigen Verfahren ausreichend Zeit für qualifizierte Rückmeldungen aus der Fachpraxis einzu- planen.
Grundsätzliche Bewertung des Entwurfs
Der vorliegende Referentenentwurf verfolgt – wie im Koalitionsvertrag angekündigt – primär das Ziel, planungsrechtliche Verfahren zu beschleunigen und rechtliche Spielräume zu erweitern. Diese Zielrichtung halten wir in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung nach wie vor für nicht ausgewogen. Bereits im Rahmen der Debatten um § 246e BauGB-E („Bau-Turbo“) haben wir – gemeinsam mit anderen Fachverbänden (siehe QR- Codes) – auf die Risiken und Zielkonflikte hingewiesen, die entstehen, wenn Beschleunigung isoliert betrachtet und nicht mit einer klaren Ausrichtung auf Nachhaltigkeit, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit verbunden wird.
Besonders kritisch ist, dass sich die Novelle nahezu ausschließlich auf Regelungen konzentriert, welche die agierenden planerischen Steuerungsmöglichkeiten der Kommunen beschneiden – etwa durch weitreichende Abweichungsmöglichkeiten vom geltenden Planungsrecht oder durch die komplette Umgehung bauleitplanerischer Verfahren. Die vorgesehenen Eingriffe markieren aus unserer Sicht einen besorgniserregenden strukturellen Wandel: Weg von planvoller städtebaulicher Steuerung hin zu punktuellen Einzelfallentscheidungen mit reduzierter öffentlicher Kontrolle und Abwägung.
Diese Entwicklung stellt einen grundlegenden Paradigmenwechsel im Baugesetzbuch dar – mit erheblichen Auswirkungen auf Planungskultur, demokratische Beteiligung und gemeinwohlorientierte Raumentwicklung. Aus fachlicher Sicht steht erheblich infrage, dass durch diesen Weg nachhaltige und sozial tragfähige Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit erreicht werden können.
Was dem Entwurf zudem fehlt, sind konkrete gesetzgeberische Schritte zur Förderung des klimagerechten Bauens (Erhalt von grauer Energie, Privilegierung vom Bauen im Bestand), zur strukturellen Verankerung von Klimaanpassung sowie zur Stärkung einer gemeinwohlorientierten Bodenpolitik. Dieses einseitige Vorgehen erzeugt ein bedenkliches Ungleichgewicht – und lässt eine wichtige Chance ungenutzt, die Baugesetzgebung zukunftsfähig weiterzuentwickeln.
Fachliche Empfehlung:
Vor diesem Hintergrund bewerten wir die vorliegende Novelle sehr kritisch und möchten aus fachlicher Sicht vor einem Beschluss in dieser Form eindringlich warnen.
Zu den geplanten Liberalisierungen
Wir können das Anliegen des Gesetzgebers, planerische Prozesse zu vereinfachen und Handlungsspielräume insbesondere im Bestand zu erweitern, im Grundsatz nachvollziehen. Aus fachlicher Sicht bleibt jedoch festzuhalten, dass die gewählten Mittel nicht nur ungeeignet sind, um die dringend notwendige Bauwende im Sinne des Klima- und Ressourcenschutzes voranzubringen, sondern diese städtebauliche Fehlentwicklungen befördern werden.
Die vorgesehenen Liberalisierungen – insbesondere in den §§ 31, 34 und 246e BauGB – wurden bereits in früheren Stellungnahmen unseres Netzwerks kritisch eingeordnet (siehe QR-Codes) und als „Wohnbauturbos“ zusammengefasst. Diese Bezeichnung greifen wir erneut auf, da sich wesentliche Kritikpunkte sowie die zu erwartenden Wirkungs- zusammenhänge überschneiden. Angesichts der sehr kurzen Frist zur Abgabe der Stellungnahme werden wir im Folgenden lediglich ausgewählte Aspekte vertiefen:
Obwohl einzelne Erleichterungen beim Um- und Anbauen vorgesehen sind, werden Abriss und Neubau nach wie vor nicht nur ermöglicht, sondern strukturell begünstigt. Die bestehenden Marktlogiken werden dadurch verstärkt statt hinterfragt – eine Entwicklung, die mit den Klimazielen im Gebäudesektor und dem Schutz grauer Energie nicht vereinbar ist. Für eine konsequente Transformation des Gebäude- bestands fehlt ein klarer rechtlicher Rahmen – ein echtes „Umbau- gesetzbuch“, das Umbau als Regelfall etabliert und ökologisch wie sozial absichert.
Aus unserer Sicht ist es daher essentiell, die Weichen nicht nur auf Beschleunigung, sondern auf inhaltliche Zielklarheit zu stellen: Ein vereinfachter Zugang zu Verfahren darf nicht zum Einfallstor für umwelt- und klimaschädliche Entwicklungen werden. Die zu erwartenden negativen (Klima-) Wirkungen der auf diesem Weg ermöglichten Bauvorhaben werden langfristig erhebliche Folgekosten nach sich ziehen – insbesondere für Kommunen. Diese Perspektive bleibt in der aktuellen Bewertung des Erfüllungsaufwands unberücksichtigt.
Fachliche Empfehlung
Angesichts dessen regen wir nachdrücklich an, die vorgesehenen Liberalisierungen eindeutig auf Umbau-, Anbau- und Aufstockungs- potenziale im Bestand zu fokussieren. Für Neubauvorhaben sollte der Gesetzgeber weiterhin auf das bewährte Instrument der Bauleitplanung setzen, um eine qualitätsvolle, standortgerechte Entwicklung sicherzustellen.
Um gleichzeitig eine effektivere und steuerbare Innenentwicklung zu ermöglichen, empfehlen wir die Einführung des bereits erprobten Instruments der Innenentwicklungsmaßnahme in das Baugesetzbuch. Dieses Instrument soll die Chance bieten, Innenentwicklung nicht nur punktuell, sondern auch großflächiger voranzubringen – und versetzt Kommunen in die Lage, vorausschauend zu steuern, statt lediglich auf Investitionsimpulse reagieren zu müssen.
Auswirkungen auf Bodenpreise und Spekulation
Ein weiterer zentraler Kritikpunkt betrifft die drohenden negativen Auswirkungen auf Bodenpreise und Flächennutzung. Die vorgesehenen „Wohnbauturbos“ werden, unabhängig von ihrer tatsächlichen Anwendung durch die Kommunen, bereits durch ihre bloße Existenz spekulationsfördernd wirken.
Das „Wetten“ auf höhere Dichten oder profitablere Nutzungen ist in vielen urbanen Lagen längst Realität. Durch die angekündigten Liberalisierungen erhalten diese Entwicklungen zusätzliche Dynamik – zu lasten bezahlbaren Wohnraums und einer sozial gerechten Stadtentwicklung. Damit droht die Novelle auch, ihr erklärtes Ziel – einen Beitrag zur Umsetzung des Nachhaltigkeitsziels 11 („Nachhaltige Städte und Gemeinden“) zu leisten – zu verfehlen. Trotz entsprechender Absichtsbekundungen enthält der Entwurf keinerlei verbindliche Strategien zur dauerhaften Sicherung bezahlbaren Wohnraums, insbesondere für ältere Menschen und Familien.
Fachliche Empfehlung
Um negativen Auswirkungen entgegenzuwirken, regen wir dringend an, die Einführung einer Bauverpflichtung - unabhängig von städtebaulichen Verträgen - grundsätzlich zu prüfen. Dies würde ein klares Signal an den Markt senden und eine spekulationsgetriebene Baurechtsaktivierung einschränken.
Zudem würde dadurch gesichert, dass baurechtlich geschaffene Potenziale auch tatsächlich in Bauaktivitäten überführt werden. Damit würde ein verlässlicher Impuls für die Bauwirtschaft gesetzt. Ohne eine verbindliche Bauverpflichtung besteht die reale Gefahr, dass trotz planungsrechtlicher Zulässigkeit weiter zahlreiche Flächen ungenutzt bleiben und Investitions- entscheidungen aufgeschoben werden (siehe hohen Bauuüberhang).
Zur Ausgestaltung und Praxistauglichkeit von § 36a BauGB-E
Dass der Gesetzgeber mit § 36a BauGB-E auf Kritik reagiert und eine klarere Verfahrensstruktur schaffen möchte, erkennen wir ausdrücklich an. Dies ist ein wichtiger Schritt. Gleichwohl werfen die vorgesehenen Abläufe – insbesondere in Absatz 2 – aus Sicht der Praxis weiterhin erhebliche Fragen auf.
Die Fristenregelung (Zustimmungsfiktion nach zwei Monaten, ggf. verlängert um 1 Monat) erscheint angesichts realer Planungsprozesse äußerst ambitioniert. In vielen Fällen sind belastbare Gutachten notwendig, um öffentliche Belange wie z.B. Lärmschutz, Artenschutz, Verkehr, Verschattung oder Klimaanpassung sachgerecht zu bewerten. Eine fundierte Abwägung in dieser kurzen Zeitspanne ist kaum zu leisten – weder durch die Kommunen noch durch die Träger öffentlicher Belange (TöBs).
Es bleibt unklar, wie eine rechtssichere Prüfung erfolgen soll, wenn die fachlichen Grundlagen nicht rechtzeitig vorliegen. Die Verantwortung verlagert sich tendenziell auf die Genehmigungsbehörden – mit dem Risiko einer erheblichen Überlastung und fachlichen Überforderung. Das haben auch andere Fachverbände - unter anderem die SRL - bereits zu Bedenken gegeben.
Zudem weisen wir darauf hin, dass über die digitalen Beteiligungs- plattformen auf kommunaler Ebene TöBs angebunden sind, die es gewohnt sind, im Rahmen von Bauleitplanverfahren zu Beteiligungsunterlagen (Planzeichnung, Begründung, Verordnung/ Festsetzungen) Stellung zu nehmen. Durch die vorgesehenen Liberalisierungen entfällt jedoch die Erstellung solcher Unterlagen. Damit verschiebt sich die fachliche Bewertungsgrundlage für diese Akteur:innen von planungsrechtlich fundierten Verfahren hin zu bauordnungsrechtlichen Einzelfall- entscheidungen mit völlig anderen Rechtsgrundlagen.
Vor diesem Hintergrund bezweifeln wir, dass eine belastbare Einschätzung darüber, ob Vorhaben mit öffentlichen Belangen vereinbar sind, innerhalb der vom Gesetzgeber vorgesehenen Fristen möglich ist. Zweifelhaft ist außerdem, ob die in der Begründung zur Novelle vorgebrachte Entlastung der Verwaltung realistisch ist.
Fachliche Empfehlung:
Wir bitten den Gesetzgeber eindringlich, zu prüfen, wie die vorgesehenen Verfahren in der Praxis umgesetzt werden sollen – insbesondere im Hinblick auf notwendige Anpassungen bestehender Beteiligungsplattformen und Verwaltungsprozesse. Geprüft werden sollte auch, ob die erhoffte Beschleunigung mit den Kapazitäten und Ressourcen der Bauaufsichts- behörden vereinbar ist. In diesem Zusammenhang sprechen wir uns mit Nachdruck dafür aus, die vorgesehenen Fristen zu überdenken!
Begrenzung der „Wohnbauturbos“ auf angespannte Wohnungsmärkte und Innenentwicklung
Aus fachlicher Sicht halten wir es für problematisch, dass die geplanten „Wohnbauturbos“ nicht mehr an angespannte Wohnungsmärkte gekoppelt werden sollen. Diese Entkopplung birgt das Risiko von städtebaulichen Fehlentwicklungen, Überkapazitäten und Fehlinvestitionen – insbesondere in Regionen, in denen keine nachhaltige Nachfrage nach zusätzlichem Wohnraum besteht.
Mit großer Sorge betrachten wir zudem die im Entwurf weiterhin vorgesehene Öffnung des § 246e BauGB-E für Vorhaben im Außenbereich. Unter den Bedingungen des demografischen Wandels und der angespannten Haushaltslage vieler Kommunen besteht die erhebliche Gefahr, dass Zersiedlungstendenzen strukturell verstärkt und die langfristigen Folgekosten für öffentliche Infrastruktur weiter in die Höhe getrieben werden. Der sogenannte Donut-Effekt – die Schwächung innerörtlicher Strukturen zugunsten von Randlagen – würde dadurch systematisch begünstigt. Gleichzeitig drohen klimaschädliche Lock-in-Effekte (z.B. durch erhöhte Pendelverkehre), die durch nachfolgende Generationen kaum planerisch ausgeglichen werden können.
Das vielfach bemühte Argument, man setze hier auf die Eigenverantwortung der Kommunen, greift in diesem Zusammenhang zu kurz. Die Erfahrungen mit dem § 13b BauGB haben deutlich gezeigt, dass eine zu weit gefasste Öffnung ohne verbindliche Kriterien nicht zu fachlich wünschenswerten und nachhaltigen Entwicklungen führt.
Auch ist zu erwarten, dass die vorgesehene Einzelfallprüfung zur Vereinbarkeit von Vorhaben mit öffentlichen Belangen in der Praxis erhebliche Rechtsunsicherheiten erzeugt – insbesondere, da sie ohne belastbare Planungsgrundlagen erfolgen soll. Gerade im bislang unbebauten Außenbereich ist in der Regel mit erheblichen nachteiligen Wirkungen für Klima, Umwelt und Infrastruktur zu rechnen. Eine rechtssichere und fachlich tragfähige Anwendung des § 246e Abs. 3 BauGB-E erscheint unter diesen Voraussetzungen fraglich.
Fachliche Empfehlung:
Vor diesem Hintergrund raten wir, die Anwendung der „Wohnbauturbos“ auf angespannte Wohnungsmärkte zu beschränken und zugleich klar auf Innenentwicklung auszurichten. So kann gewährleistet werden, dass zusätzlicher Wohnraum dort entsteht, wo eine hohe infrastrukturelle Leistungsfähigkeit und ökologische Vorbelastungen bereits vorhanden sind – und nicht dort, wo langfristig erhebliche Folgekosten für die Allgemeinheit entstehen.
Lösung der Wohnungskrise und Gewährleistung von Bezahlbarkeit
Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Gesetzgeber die Regelungen zur Verordnungsermächtigung zur Bestimmung von Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt (§ 201a BauGB-E) und zur Bildung von Wohneigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§ 250 BauGB-E) verlängert. Zugleich sehen wir mit Sorge, dass sich der vorliegende Referentenentwurf hinsichtlich der Lösung der Wohnungskrise und der Gewährleistung von Bezahlbarkeit auf diesen „Mindeststandard“ beschränkt – und angesichts der dramatischen Entwicklungen am Wohnungsmarkt hinter dem notwendigen politischen Gestaltungsanspruch zurückbleibt.
Insbesondere das kontinuierliche Auslaufen von Belegungsbindungen im sozialen Wohnungsbau macht deutlich, dass es verbindlicher Regelungen bedarf. Aus fachlicher Sicht ist nicht erkennbar, welche Strategie der Gesetzgeber verfolgt, um bis 2030 nicht nur die bestehende Dynamik – wonach mehr Sozialwohnungen aus der Bindung fallen, als durch Neubau entstehen – abzufedern, sondern darüber hinaus zusätzlichen bezahlbaren Wohnraum mit langfristiger Mietpreisbindung zu schaffen.
Fachliche Empfehlung:
Wir regen daher an, im Rahmen des § 36a BauGB-E nicht nur eine Bauverpflichtung, sondern auch eine verbindliche Quote für die Schaffung von Sozialwohnungen rechtlich zu verankern – insbesondere dann, wenn Neubauvorhaben weiterhin von den erweiterten Ausnah- men der sogenannten „Wohnbauturbos“ profitieren sollen.
Mindestens jedoch sollte diese Zielsetzung klar als Erwartungshaltung für Verpflichtungen gemäß § 36a Abs. 1 Satz 3 BauGB-E benannt werden, um der sozialpolitischen Verantwortung des Bundesgesetzgebers gerecht zu werden und ein klares Signal für eine gemeinwohlorientierte Wohnraumentwicklung zu setzen.
Ergänzend halten wir eine Prüfung für sinnvoll, inwieweit in diesem Zusammenhang auch eine rechtliche Verknüpfung mit der Neuen Wohngemeinnützigkeit hergestellt werden kann.
Fragen zur Haftung und zum Zusammenspiel von Genehmi- gungsfiktionen
Aus unserer fachlichen Sicht ergeben sich offene Fragen hinsichtlich der praktischen und rechtlichen Umsetzung der vorgesehenen Einverständ- nis- und Zustimmungsfiktionen. In mehreren Bundesländern bestehen be- reits Genehmigungsfiktionen im bauordnungsrechtlichen Verfahren – oder sind in Planung. Vor diesem Hintergrund halten wir es für erforder- lich, klarzustellen, wie sich diese landesrechtlichen Regelungen mit den neu eingeführten Möglichkeiten zur Schaffung von Baurecht und ggf. Fiktionen im Baugesetzbuch überschneiden oder aufeinander einwirken.
Es darf aus unserer Sicht unter keinen Umständen zu Situationen kommen, in denen Verfahren allein durch Fristablauf in einer Genehmigung münden, ohne dass eine inhaltliche Prüfung oder Beteiligung der betroffenen Stellen stattgefunden hat. Dies würde nicht nur die Steuerungsfähigkeit der öffentlichen Hand beeinträchtigen sowie städtebauliche Fehlentwicklungen manifestieren, sondern birgt auch erhebliche Unsicherheiten für die planenden und bauausführenden Akteur:innen.
Insbesondere aus Sicht der Architekt:innenschaft stellt sich die Frage nach der haftungsrechtlichen Verantwortung im Falle von Genehmigungs- fiktionen – etwa, wenn relevante Belange unberücksichtigt bleiben, die erst zu einem späteren Zeitpunkt offensichtlich werden.
Fachliche Empfehlung:
Wir halten es daher für dringend geboten, dass zu diesen Aspekten eine rechtssichere und praxisnahe Klärung erfolgt und bitten darum, diese Belange im weiteren Gesetzgebungsprozess explizit zu prüfen und zu adressieren.
Zur geplanten Veröffentlichungspflicht nach § 31 Abs. 3 BauGB-E
In § 31 Abs. 3 BauGB-E ist vorgesehen, dass der Inhalt einer erteilten Befreiung „ergänzend zum Bebauungsplan zu jedermanns Einsicht bereitzuhalten und in das Internet einzustellen“ sei. Aus fachlicher Sicht erscheint an dieser Stelle unklar, wie der Gesetzgeber sich die Umsetzung konkret vorstellt – insbesondere im Hinblick auf die Koppelung an bestehende Prozesse der Bebauungsplanaktenführung.
Die Einsichtnahmestelle für Bebauungsplanoriginale ist nicht in allen Kommunen bei der planenden Verwaltung angesiedelt (z. B. in Hamburg beim Staatsarchiv). Zudem erfolgt die Bereitstellung von Bebauungsplänen üblicherweise über kommunale Geodatenportale, die bislang nicht darauf ausgelegt sind, nachträgliche Einzelentscheidungen wie Befreiungen strukturiert zu veröffentlichen. In kleineren Kommunen bestehen zum Teil noch gar keine digitalen Veröffentlichungsstrukturen - insbesondere zu älterem Planrecht, sodass die Umsetzung der vorgesehenen Verpflichtung dort mit Mehraufwand oder technischen Hürden verbunden wäre.
Vor diesem Hintergrund weist die geplante Regelung praktische Umsetzungsprobleme auf und führt zu zusätzlichem Verwaltungs- aufwand, der im Entwurf bislang weder konkretisiert noch im Erfüllungsaufwand sachgerecht abgebildet ist.
Fachliche Empfehlung:
Wir empfehlen eine Überprüfung der vorgesehenen Veröffentlichungspflicht im Hinblick auf ihre Praktikabilität sowie eine präzisierende Formulierung, die den Verwaltungsaufwand reduziert und ggf. bestehende digitale Infrastrukturen angemessen berücksichtigt.
Fazit
Wir fordern den Gesetzgeber mit Nachdruck dazu auf, die vorliegende Novelle nicht allein zur Prozessbeschleunigung zu nutzen, sondern auch inhaltlich klare Weichen für eine zukunftsfähige, klimagerechte und sozial ausgewogene Baukultur zu stellen.
Eine wirkungsvolle Baugesetzgebung muss nicht nur schnell, sondern vor allem richtungsweisend sein – im Sinne von Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und demokratischer Teilhabe.
Als Architects for Future Deutschland e.V. bringen wir unsere fachliche Perspektive aus Planungspraxis, Baukultur und Wissenschaft ein – konstruktiv, interdisziplinär und im Sinne des Gemeinwohls. Wir stehen gerne als kontinuierliche Gesprächspartnerin zur Verfügung und sind überzeugt: Eine zukunftsgerichtete Baugesetzgebung kann nur im engen Dialog mit der Planungspraxis gelingen.
Herzliche Grüße
Architects for Future Deutschland e.V.
Bremen, den 09.06.2025
Kontakt: politik(a)architects4future.de